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Die Stühle: Gelnhäuser Tagblatt 19.08.2011

Die Frage nach dem Schein und Sein steht im Mittelpunkt

Experiment gelungen: Bockenheimer Theaterensemble begeistert im Meerholzer Schlosshof mit Ionescos „Die Stühle" — Eine Herausforderung

GELNHAUSEN (cra). Im Rahmen der Meerholzer Kulturtage hatte Kulturamtsleiter Thomas Appl nach eigenen Worten „ein Experiment gewagt" und das Bockenheimer Theaterensemble mit „Die Stühle", einem surrealistischen Theaterstück von Eugène lonesco, das mittlerweile zur Weltliteratur zählt, eingeladen. Das Bockenheimer Theaterensemble ist eine freie Amateurtheatergruppe, die seit 1975 besteht und sich durch ihre ausgefeilten Darbietungen inzwischen einen Namen gemacht hat.

Im Drei-Personen-Stück überzeugten Martin F. Herndlhofer und Monika Reif als altes Ehepaar. Perfekt meisterten die beiden die Herausforderung des anspruchsvollen Stückes und konnten trotz absurder, widersprüchlicher Dialoge und zum Teil auch Monologe die Aufmerksamkeit des Publikums durch ihr lebendiges und flottes Spiel an sich binden.

Das hochbetagte Ehepaar lebte allein und aufeinander angewiesen auf einer einsamen Insel. Ihre ritualisierten Dialoge, eine Mischung aus immer wiederkehrender Bewunderung und Vorwürfen, zeigten den Leerlauf einer langjährigen Ehe auf. Beobachtet wurden die beiden von einem Clown (Rahel Rosenkötter), der oben aus dem Turnfenster des Schlosses herausschaute und mit zwei Handpuppen ihr Agieren stumm nachspielte.

Das Ehepaar erwartete Gäste und einen Berufsredner, den der Alte engagiert hatte, um eine wichtige Botschaft, die er im Laufe seines Lebens erarbeitet hatte, an die Nachwelt weiterzugeben. Von einem Klingeln angekündigt, traten nach und nach die fiktiven Gäste - verkörpert durch bunte, gasgefüllte Luftballons und nur für die Alten sichtbar - ein. Der Mann begrüßte immer mehr große Persönlichkeiten, während seine Frau damit beschäftigt war, weitere Stühle für die Besucher herbeizuschaffen. In der Kommunikation mit den fiktiven Gästen wurden die unausgelebten Sehnsüchte des Paares deutlich. Während der Mann sehnsüchtig seiner Jugendliebe von vergangenen Zeiten und unausgelebten Wünschen vorschwärmte, vollführte seine Frau mit deren Partner - auch nur ein grüner Luftballen - einen erotischen Tanz voller Lust und Leidenschaft, um sich am Ende doch auf die Treue zu ihrem Mann zu besinnen. Das Spiel wurde dynamischer, immer mehr Pseudogäste bevölkerten die Bühne.

Schließlich erschien sogar seine Majestät, der Kaiser, und am Ende auch der Gastredner. Dieser war ein Mensch aus Fleisch und Blut, eben jener Clown, der zuvor im Fenster gesessen hatte. Er wurde vom Alten in seine Aufgabe eingewiesen, blieb aber selbst stumm. Er ging zurück ins Turmzimmer, während die beiden Alten sich auf ihren Abgang vorbereiteten. Wie vereinbart, wurden sie nach ihren Ausrufen „Es lebe der Kaiser.' vom Clown aus dem Turmfenster heraus erschossen. Anschließend befreite er die an Stühlen festgebundenen Gasballons und ließ sie über den Meerholzer Himmel aufsteigen.

Durch ein paar Regentropfen zwischendurch ließen sich die rund 40 Zuschauer nicht abschrecken und lobten die professionelle Darstellung. des Ensembles.

 

 

Gelnhäuser Tagblatt 19.08.2011